Fachkräftemangel im Tourismus und was man dagegen tun kann.
Dieser Blogbeitrag thematisiert den rosa Elefanten, der nicht erst seit der Pandemie ständig im Raum zu stehen scheint und im Tourismus-Smalltalk aktuell nach spätestens fünf Minuten das Gespräch beherrscht (in der Hoffnung, dass vielleicht jemand jemanden kennt, der jemanden kennt…): den Fachkräftemangel im Tourismus.
"Die Tourismusbranche generiert eine große Anzahl von Arbeitsplätzen, dennoch steht sie vor der Herausforderung Mitarbeiter:innen zu akquirieren und weist ein hohes Maß an Arbeitskräftemangel auf."
Johanna Innerhofer aus Meran, Masterstudentin des Double Degree Programms am MCI in Innsbruck sowie an der LUISS Business School in Rom, hat ihre Abschlussarbeit diesem interessanten Thema gewidmet.
Obwohl der Fachkräftemangel allgemein in der Literatur bereits thematisiert wird und Fragen zu Arbeitsmarkttrends und Fluktuation im Gastgewerbe untersucht wurden, gibt es kaum Studien, welche spezifische Faktoren des Fachkräftemangels untersuchen und deren Zusammenhänge analysieren. Hier knüpft Johannas Masterarbeit an.
Wir haben ihr ein paar Fragen zu ihrer Abschlussarbeit gestellt und sagen an dieser Stelle: Vielen Dank Johanna, für die Zeit, die ausführlichen Antworten und die interessanten Anregungen.
Johanna, ganz pragmatisch: Das Problem auf den Punkt gebracht?
Die Tourismusbranche generiert eine große Anzahl von Arbeitsplätzen, dennoch steht sie vor der Herausforderung Mitarbeiter:innen, insbesondere qualifizierte Fachkräfte, zu akquirieren und weist ein höheres Maß an Arbeitskräftemangel als andere Branchen auf.
Der Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt hat den Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte verschärft, da die Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte ein wichtiger Aspekt ist, um die zukünftigen Anforderungen und Erwartungen der Branche und der Kund:innen zu erfüllen. Dieser Effekt hat sich durch die Covid-19- Pandemie noch verstärkt und kann u. a. zu Schwierigkeiten bei der Bereitstellung eines angemessenen Kundenservices, erhöhten Betriebskosten und Problemen bei der Einhaltung angemessener Qualitätsstandards führen.
Gab es für dich einen einen AHA-Moment während deiner Recherchearbeit?
Ja den gab es, und zwar einen sehr schönen bzw. positiven AHA-Moment. Interessanterweise konnte ich im Rahmen der Auswertungen einen positiven Zusammenhang zwischen der Bereitschaft im Gastgewerbe zu bleiben und dem Mangel an qualifizierten Personal feststellen d.h. die Bereitschaft erhöht sich mit steigendem Fachkräftemangel. Da das Südtiroler Gastgewerbe von Familienbetrieben geprägt ist und diese ganz allgemein eine höhere Loyalität und höheres Mitarbeiter:innen-Committment zum Unternehmen aufweisen, lässt dieser Zusammenhang auf eine sehr starke Bindung von Mitarbeiter:innen zu Familienbetrieben schließen, welche den Betrieb in schwierigen Situationen nicht im Stich lassen und das Boot somit nicht verlassen wollen.
Wo liegt die deiner Meinung nach die Zukunft des Arbeitsmarktes im Tourismus?
Es gibt bereits viele Betriebe, die das Problem des Fachkräftemangels aktiv angehen, flexible Arbeitszeiten, tolle Jobs und Karrieremöglichkeiten auch für Quereinsteiger bieten, sowie angemessene Mitarbeiterschulungen auch für erfahrene Mitarbeiter:innen vorsehen - schließlich gibt es auch im Gastgewerbe immer wieder Neuerungen, v.a. auch im digitalen Bereich. Generell muss die Arbeit im Gastgewerbe jedoch attraktiver gestaltet und auch kommuniziert werden - ein Großteil der Auszubildenden und Schüler:innen im Gastgewerbe schlagen nach Schulabschluss andere Karrierepfade ein. Woran liegt das? Um den Fachkräftemangel auf langfristige Sicht entgegen zu wirken müssen auch „Frischlinge“ außerhalb der Branche akquiriert werden, - viele junge Menschen haben nie aktiv über eine Karriere im Gastgewerbe nachgedacht, da Serviceindustrien - zu Unrecht - teilweise sozial wenig wertgeschätzt werden. Diese negativen Aspekte stehen in Zusammenhang mit dem Image des Gastgewerbes als Arbeitsbranche. Es ist natürlich schwierig das Image einer ganzen Branche zu verändern - was man alleine nicht schafft, das schafft man aber zusammen, denn jedes einzelne Unternehmen im Gastgewerbe trägt einen Teil zum großen Branchenbild bei.
Und weil wir nicht nur das Problem, sondern vor allem Lösungen brauchen, eine Bitte: Zwei Tipps für Arbeitgeber:innen?
1.) Um junge Menschen anzuziehen, eignet sich Content Marketing im Rahmen von Employer Branding besonders gut. Dadurch kann man authentische und realistische Einblicke in den Betrieb bzw. ganz allgemein auch in die Branche ermöglichen. Soziale Medien wie Instagram eignen sich dafür besonders gut, zudem sehen auch Gäste solche Einblicke in den Arbeitsalltag besonders gern. Und die besonders digital-affinen unter uns können sich doch auch mal an TikTok ran wagen :-).
2.) Weiter- und Fortbildung! Kosten für Schulungen sind zwar meist kein Schnäppchen und es besteht das Risiko für Arbeitgeber:innen, dass Mitarbeiter:innen an Schulungen teilnehmen und danach das Unternehmen verlassen. Das Risiko einer potenziellen Fluktuation ist jedoch größer, wenn das Personal aufgrund von Qualifikationsdefiziten überlastet ist oder wenn die persönliche und berufliche Entwicklung im Unternehmen nicht gefördert wird, da dies zu sinkendem Engagement führt. Als Kompromiss kann man Mitarbeiter:innen auch intern schulen, beispielsweise von erfahreneren Kolleg:innen oder Vorgesetzten.
Und zwei Tipps für Arbeitnehmer:innen?
1.) Sucht den Dialog mit Arbeitgeber:innen. Kommunikation ist wichtig, egal in welchem Kontext. Das kann z.B. neue Ideen, Änderungsvorschläge oder auch einfach persönliche Anliegen betreffen. Kommunikation trägt zu einem positiven Arbeitsklima bei, welches sich sowohl positiv auf Arbeitgeber:innen, als auch Arbeitnehmer:innen auswirkt. Außerdem sind auch Arbeitgeber:innen oft dankbar über Inputs und Vorschläge, v.a. wenn es Bereiche betrifft, welche die Mitarbeiter:innen teilweise besser als Arbeitgeber:innen selbst kennen.
2.) Gelegenheiten nutzen! Im Gastgewerbe gibt es immer wieder unterschiedliche Aufgaben, Jobs und Möglichkeiten um neue Erfahrungen und Skills zu lernen. Diese Vielfalt gilt es zu nutzen, denn der Tourismus zeichnet sich v.a. durch Transversale Skills aus - also Skills, die allgemeiner Natur sind und in einer Vielzahl an Bereichen und sogar unterschiedlichen Branchen eingesetzt werden können. Diese Fähigkeiten kann man daher überall einsetzen, sie bringen einen persönlich voran und können auch im privaten Umfeld zugute kommen. Zudem wird einem dabei auch sicher nicht langweilig, denn kein Tag, kein Gast und kein Betrieb ist wie der andere - die Kombinationen die sich darauf ergeben sind einzigartig und bieten somit einen einzigartigen Kontext, sich persönlichen und fachlich unter Beweis zu stellen.
Die Masterarbeit kurzgefasst:
Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit ist Johanna zwei Fragen nachgegangen:
1.) Welche Faktoren beeinflussen den Fachkräftemangel im Gastgewerbe aus Sicht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen?
2.) Inwieweit wird der Fachkräftemangel durch das Image des Tourismussektors beeinflusst?
Die Antworten:
1.) Zu den klassischen Gründen, sich gegen einen Arbeitsplatz in Tourismus zu entscheiden, zählen unter anderem allgemeine Rahmenbedingungen der Beschäftigung in der Branche, wie die generelle und saisonal schwankende Arbeitsbelastung, die schlechtere Entlohnung und unregelmäßige Arbeitszeiten.
Daneben spielen - in erster Linie für Arbeitnehmer:innen - fehlende soziale Kompetenzen, wie Kommunikation, Konfliktmanagement, interkulturelle Sensibilität und persönliche Fähigkeiten eine wesentliche Rolle, wenn es um den Mangel an Fachkräften geht. Das heißt, in der Wahrnehmung der Arbeitnehmer:innen fehlen diese Kompetenzen, sei es bei Kolleg:innen, bei ihnen selbst bzw. am Arbeitsplatz und begünstigen so den Fachkräftemangel.
Ein weiterer Einflussfaktor, ebenfalls aus Sicht der Arbeitnehmer:innen, betrifft das Fehlend von fachlichen Kompetenzen in Form von fachspezifischen „Professional Skills“, die v.a. bei Quereinsteigern oft nicht vorhanden sind.
2.) Es konnte zwar ein Einfluss des Branchenimages auf den Fachkräftemangel festgestellt werden, allerdings ist dieser Zusammenhang sehr gering und auf die Gruppe der Beschäftigten beschränkt.
Die Basis:
Grundlage der Studienergebnisse ist eine Umfrage, die Johanna ausgearbeitet hat und an der 232 Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen aus der Südtiroler Hotellerie und Gastronomie teilnahmen*.
Wer sich tiefer in die Thematik einarbeiten möchte und die gesamte Arbeit lesen möchte, der kann sich gerne direkt bei Johanna Innerhofer melden und bekommt eine PDF-Version ihrer Arbeit direkt von ihr zugeschickt (johanna_innerhofer@outlook.com).
* Studienteilnehmer:innen:
Die Verteilung des Geschlechts unter den Teilnehmer:innen zeigt eine deutliche Mehrheit von Frauen, das Verhältnis ist 65,10% weiblich zu 34,90% männlich. Hinsichtlich des Alters beinhaltet die Studie eine Altersspanne von 18 bis 61 Jahren, wobei ein Drittel der gesamten Teilnehmer jünger als 25 Jahre und zwei Drittel unter 33 Jahre alt sind. Generell sind 95% der Teilnehmer jünger als 55 Jahre. Da die Stichprobe eine relativ junge Gruppe von Teilnehmern enthält, gaben fast 70% von ihnen an, dass sie keine Kinder haben. Bei der Einordnung des Bildungsniveaus der jeweiligen Umfrageteilnehmer zeigte sich, dass 5,20% als höchsten Abschluss die Realschule angaben, 11,60% einen Berufsabschluss nach drei Jahren Oberschule, 7,30% ein Berufsdiplom nach vier Jahren Oberschule, 47,80% haben ein Abitur nach fünf Jahren Oberschule und 27,60% einen Universitätsabschluss. 44,80% der Befragten geben an, dass ihre derzeitige Rolle in Bezug auf die Beschäftigung im Gastgewerbe die Rolle von Arbeitgeber:innen und/oder Eigentümer:innen ist, während die restlichen 55,20% Angestellte sind. Arbeitgeber:innen sind mit einem Anteil von 85% überwiegend selbständig, der verbleibende Teil bezieht sich fast ausschließlich auf eine feste Vollzeitbeschäftigung. Arbeitnehmer:innen haben unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse und -situationen: 28,90% haben eine dauerhafte Vollzeitbeschäftigung und 3,90% eine dauerhafte Beschäftigung, aber in Teilzeit. In Bezug auf saisonale bzw. befristete Beschäftigung sind 45,30% in Vollzeit und 5,50% in Teilzeit tätig. Mit 7% arbeitet nur ein kleiner Teil der Umfrageteilnehmer auf Abruf, 0,8% absolvieren derzeit eine Ausbildung und 2,30% ein Praktikum. 6,30% geben an, dass sie selbständig sind, obwohl sie sich als Angestellte bezeichnen. Fast 60% ordnen ihren Betrieb dem Teilbereich Beherbergung zu, 21,10% dem Bereich Gastronomie und F&B, die restlichen 19% sind auf beides ausgerichtet. Bei einer relativen Anzahl von 215 gaben fast 93% an, dass ihr derzeitiger Betrieb ein Familienbetrieb ist. Von diesen 215 Familienbetrieben lassen sich rund 63% der Hotellerie zuordnen.
Comentarios