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Karin Tscholl

Business out of the box – Neue Ideen treffen auf etablierte Räume

Erstes Netzwerktreffen 2023 von tourisma south tyrol in Marlene’s Salotto in Schenna


Ende März 2023 teilen Kristina Unterthurner von Marlene’s Salotto und Manuela Zischg (Bioland Südtirol, Abteilung Tourismus) ihre Erfahrungen zu neuen Geschäftsideen und beruflichen Wegen, die sie vor Kurzem eingeschlagen haben. Lissi Tschöll vom Alten Schlachthof in Brixen musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Gemein haben die drei Damen, dass sie jeweils eine neue Idee in bereits bestehenden Projekten mitgestalten dürfen. Auf dem einladenden Sofa in Marlene’s Salotto geht es um Innovationsgeist, unternehmerisches Risiko und Nachhaltigkeit.


Von der Trachtenmode zum Concept Store

Anfangs war es für Jahrzehnte “Marlene’s Sport & Trachtenmode”, dann füllten gehobene Modestücke die Regale in der Boutique. 2018 - mit dem Eintritt des Sohnes Joachim ins Familienunternehmen - mündete die Verwandlung schließlich in einen Hybrid aus Shop und Bar, genannt Marlene‘s Fashion & Café. Die Weiterentwicklung über die Jahre ergab sich, wie in der Branche üblich, weil etwas “aus der Mode gekommen war” und wurde von den Kunden fast gänzlich gut angenommen. “Klar verliert man einen kleinen Teil an Stammkunden, die nur wegen der Trachtenmode ins Geschäft gekommen war”, weiß Marlene Pföstl, Senior-Unternehmerin, “aber diese wären eh nicht mehr lange ins Geschäft gekommen…”, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu.


Dadurch, dass Marlene’s Fashion und Café, vor allem von der lokalen Bevölkerung, aufgrund der Winteröffnung gut angenommen wurde und Kund:innen auch aus der Umgebung anzog, entschied man sich eigentlich recht kurzfristig für den zweiten Standort auf der Schennastraße, einem ehemaligen Lebensmittelgeschäft. Die Erfolgsformel aus Mode und Bar sollte übernommen und neuem Raum gegeben werden - Marlene’s Salotto war geboren. “Eine großzügige Fläche der Boutique haben wir so konzeptioniert, dass kurzerhand ein Raum für Workshops, Kurse oder Events entsteht. So bieten wir ab April beispielsweise samstags eine morgendliche Pilates-Einheit mit anschließendem Frühstück an.”


"Auch für kurze oder längere Zusammenarbeiten mit Partnern aus der Modebranche (und nicht nur) in Form eines Pop Up Stores sind wir offen.”, berichtet Kristina Unterthurner, Shopleiterin des Salottos.

Ob dieses Modell des Business out of the Box innovativ ist, lässt sich nicht mit einem simplen Ja oder Nein beantworten. Vielmehr geht es darum, in welche Relation man die Geschäftsidee bringt: im Meraner Raum ist der Concept Store einzigartig, in New York wohl eher nicht. Produkte, Services und Prozesse wurden neu definiert, die Anzahl von Mitarbeiter:innen verdoppelt und ein neues Geschäftsmodell entworfen (inkrementelle Innovation, siehe Exkurs weiter unten im Artikel) - für Start Ups in Silicon Valley steht dies auf der Tagesordnung, in einem traditionellen Südtiroler Familienbetrieb nicht unbedingt. Mit Sicherheit bringt das neue Angebot eine Marktentwicklung mit sich und ist Inspiration für andere Unternehmen. Abschließend fasst Kristina die Herausforderungen des Salotto auf folgenden beiden Punkte zusammen: zum einen die Trennung und Verschmelzung von Familie und Business, zum anderen die Beibehaltung des Images von “Marlene’s” trotz differenziertem Produktangebot und Standorterweiterung.



Bioland Südtirol does sector crossing

Als zweite Speakerin des Abends stellt Manuela Zischg ihren Auftrag bei Bioland Südtirol vor: den Brancheneintritt des Verbandes in den Südtiroler Tourismus. Bioland wurde im Jahr 1971 als “biogemüse e.V.” von zwölf Pionieren in Deutschland gegründet, die den organisch-biologischen Anbau voranbringen wollen. Mittlerweile umfasst der Verband über 8.700 Betriebe aus der Bio-Landwirtschaft, -Imkerei und dem Weinbau in Deutschland und Südtirol, rund 1.400 Hersteller, Händler und Gastronomen sowie über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zählt neben Demeter und Naturland zu den 3 bekanntesten Bio-Marken Deutschlands. Seit 1991 gibt es - gegründet von zehn Obstbauern - den Bioland Verband Südtirol mit knapp über 1000 Mitgliedern in Südtirol, seit 2021 ist es eine Genossenschaft.


Bioland ist mittlerweile bei den Konsument:innen eine gefestigte Marke sowohl in der Landwirtschaft als auch bei Erzeugern und Herstellern. Jüngstes Projekt von Bioland Südtirol ist Bio Fair Südtirol. “Das Gastronomieprojekt, das von Bioland Südtirol in Zusammenarbeit mit Provinz Bozen, IDM, Eurac, HGV, Bio Alto, den Weltläden und der Abcert Kontrollstelle ausgearbeitet wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, vermehrt regionale biologische Lebensmittel oder Lebensmittel aus dem Fair Trade Handel auf den Teller zu bringen, sodass diese in den heimischen Gastbetrieben verstärkt zum Einsatz kommen. Vom Megatrend „bio + regional“ kann man gerade in Südtirol besonders profitieren, im landwirtschaftlichen Anbau und als Tourismusland.” erklärt Manuela.


Gastronomiebetriebe können sich neuerdings für die biologische Küche in einem dreistufigen Modell (Bronze, Silber, Gold) zertifizieren lassen und so eine möglichst natürliche, biologische, gesunde, handwerkliche und genussvolle Gastronomie anbieten. Dies lässt sich auch mit dem Nachhaltigkeitslabel des Landes Südtirol wundervoll in Einklang bringen, weshalb das Projekt dafür akkreditiert wurde.


Und was hat das, mit Business out of the box zu tun? Bioland Südtirol hat sich in Südtirol mittlerweile zu einer etablierten Marke in der lokalen Landwirtschaft entwickelt. Durch den Zusatz „powered by Bioland“ ist durchwegs mit einem Wiedererkennungseffekt einer über 50 Jahre alten und für Qualität und Transparenz stehenden Marke im Biolandbau zu rechnen. Der Eintritt einer Marke in eine neue Branche ist per se eine Herausforderung: Markenkern und -werte müssen sich widerspiegeln, der -auftritt in seinem Wesen gleich und dennoch passend für die Branche bleiben und zu guter Letzt das Markenversprechen halten. Dennoch sieht Manuela darin mehr Chancen als Risiken: Mittlerweile ist die breite Masse von Gästen und Gastgebern hinsichtlich des biologischen Anbaus und der Nachhaltigkeit sensibilisiert und zugänglicher geworden. Die Akquise von so viel wie möglich Gastronomiebetrieben bei bleibender, glaubhafter Integrität der Markenwerte wird ein Gleichgewichtsakt.


“Und nicht zuletzt bleibt es auch eine Herausforderung, den Mut und das Selbstbewusstsein der Gastgeber zu stärken, dem Gast auch Mal einen Wunsch abzuschlagen, der nicht in das gelebte Werteschema passt.”, so Manuela abschließend.

 


Exkurs: Was ist Innovation?

Innovation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet “Erneuerung”. Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt der Begriff durch den österreichischen Soziologen und Nationalökonomen Joseph A. Schumpeter (1883-1950) seine wirtschaftliche Prägung. Ihm zufolge ergeben sich bei steigender Intensität auf den Achsen “Neuigkeitsgrad” und “Marktauswirkung” drei Formen von Innovation: inkrementell, radikal und disruptiv. Dabei zeichnet sich Erstere durch eine reine Weiterentwicklung von bestehenden Produkten, Prozessen und Dienstleistungen aus, während bei einer radikalen Innovation komplette Branchen und Märkte weiterentwickelt werden. Bestehende Marktstrukturen werden durch eine revolutionäre Innovation verändert, jedoch nicht zerstört. Dies erfolgt hingegen bei der disruptiven Innovation: sie verändern das Kundenverhalten, Marktregeln und zerstören den Status Quo (Beispiel: Netflix verdrängt den Videoverleih).


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