tourismas diskutieren über Chancen und Schnittstellen der Bereiche beim vierten Netzwerktreffen in Algund
Mitte Oktober fand an einem Donnerstagnachmittag das 4. Netzwerktreffen von tourisma south tyrol zum Thema "Tourismus trifft Kunst & Kultur" in der Caldera in Algund statt.
Die Caldera, ein landwirtschaftliches Gewächshaus in Algund wurde von der Genossenschaft B-A-U, dem Institut für zeitgenössische Kunst und Ökologie, in einen temporären Ort für Kunst und Pflanzen verwandelt. In Zusammenarbeit mit Lisa Mazza und Simone Mai, Kuratorinnen von B-A-U, diskutierten und sammelten wir Inputs zum Thema des Abends und tauschten dazu Erfahrungen aus.
Im Anschluss gab es die Möglichkeit sich bei einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant Leiter am Waal in Algund aktiv zu vernetzen. Gedankenaustausch und gleichzeitig Ideenschmiede, ein Treffen ganz nach dem tourisma Motto: sensibilisieren, informieren und aktivieren. Über 20 Teilnehmerinnen aus den unterschiedlichsten Sparten der Branchen Tourismus und Kunst folgten der Einladung, sammelten Ideen und vernetzten sich.
The Fishbowl
Nach der Einführung in die Arbeit der beiden Kuratorinnen von B-A-U folgte eine aktive und angeregte Diskussionsrunde zwischen den Bereichen Tourismus und Kunst/Kultur. Für die Diskussion nutzten wir das Format der Fishbowl, ein Tool, welches sich bei Diskussionen mit einer größeren Anzahl an Teilnehmern gut eignet. Dieses setzt sich aus zwei Sitzkreisen, den sogenannten Circles zusammen, einen inneren und einen äußeren. Der innere Sitzkreis wurde von Lisa Mazza, Simone Mair (beide B-A-U), Agata Erlacher (Künstlerin und Gastronomin) und Kristina Unterthurner (Tourismusorganisation) eingenommen. Zudem stand noch ein weiterer Sitzplatz zur Verfügung, welcher vom äußeren Circle, dem zuhörenden Publikum, spontan eingenommen werden konnte und die Möglichkeit bot sich aktiv in die Diskussionsrunde einzubringen.
Die zentralen Themen der Diskussion fokussierten sich dabei auf die Erfahrungswerte und die Schnittstellen zwischen Kunst & Kultur und Tourismus, das Potential, das sich daraus ergeben kann und Best Practice Beispiele. Aber auch die Hintergründe und Motive für den Besuch einer Kulturveranstaltung, sowie deren Kommunikationsmaßnahmen wurden besprochen.
Lisa Mazza berichtete von Erfahrungswerten beim Projekt Art & Nature, mit dem Ziel Kunst von internationalen Künstlern im öffentlichen Raum zugänglich zu machen und die Attraktivität einer Ferienregion in schwachen Saisonen dadurch zu erhöhen. Ihr Fazit: Kunstprojekte brauchen Zeit, es braucht Kontinuität und auch ein gewisses Verständnis denn zeitgenössische Kunst ist mit einer sehr hohen Komplexität verbunden. Zudem ergänzte die Kuratorin, dass es Auftrag der Kunst ist, Fragen zu stellen, das Territorium anders darzustellen, nicht nur aus einer touristischen/wirtschaftlichen Optik.
Agata Erlacher, Künstlerin und Gastronomin beschrieb die Herausforderung ihres aktuellen Projektes in der Integration der Kunstwirtschaft in einen anderen Wirtschaftszweig, wobei die Schnittstelle nicht immer so offensichtlich sein muss. Es sei vielmehr ein temporäres Gefühl des Künstlers, so Erlacher. Kristina Unterthurner unterstrich, dass das Potential der Verbindung der beiden Bereiche in der Zugänglichkeit von Kunst & Kultur und in der Vermittlung von Bestehendem und Neuem an den Gast liegt. Auch das Aufbrechen der Kategorien (Malerin, Performerin, Skulpturen usw.) und die Verschmelzung/Symbiose, nicht die Isolierung der Systeme seien sehr wichtig, so Simone Mair.
Ideenschmiede
Im zweiten Teil des Netzwerktreffens teilten sich die Teilnehmerinnen in drei Gruppen und erarbeiteten und sammelten Ideen für innovative Berührungspunkte der beiden Sektoren. Aus einer vorherigen Umfrage der Teilnehmerinnen ging hervor, dass diese in den letzten fünf Jahren selbst entweder wenige (50 % von 1-3) oder viele (50 % mehr als 6) Kulturveranstaltungen besucht haben. Zudem informierten sich alle fast ausschließlich online über das aktuelle Kulturprogramm und nur wenige über Printmedien. Mit diesen Infos und den Inputs aus der vorherigen Diskussionsrunde ging es in die Phase des Brainstorming. Die Ergebnisse können in folgenden Clustern zusammengefasst werden: #getintouch #identification #diversification #newopportunities.
Einer der wichtigsten Punkte, um die Bereiche Tourismus und Kunst & Kultur zu verbinden ist eine erste Kontaktaufnahme der Protagonisten. Egal ob über Sozialgenossenschaften wie jener von B-A-U, direkten Kontakt mit Kuratoren und Künstlern oder über ein Netzwerktreffen, jegliche Form der Begegnung, des Austausches und der Konfrontation fördert und erhöht die Möglichkeiten einer Kooperation. Unbekanntes zulassen, hinterfragen, neugierig sein und dadurch Neues schaffen. Kunst muss gelebt werden und nicht nur die Touristiker selbst sollten die Kulturveranstaltungen besuchen und kennen, sondern auch die Mitarbeiter spielen hier eine wichtige Rolle. So könnten diese zum Beispiel eingeladen werden eine gewisse Anzahl an Veranstaltungen selbst zu besuchen und ihre persönlichen Highlights im Anschluss direkt in die Gästekommunikation eingebaut werden. Mit Sicherheit erhöht jede selbst besuchte Veranstaltung auch die Chance auf Austausch mit den Organisatoren und dies wiederum lässt neue Netzwerkverbindungen entstehen.
Kunst muss gelebt werden, nur so entstehen authentische Begegnungen in denen wiederum die Kultur als Erlebnis wahrgenommen werden kann. Wo eine Leidenschaft zur Kultur schon vorhanden ist, kann man sich austauschen und vernetzen. Mit einem Partnerbetrieb, einem Nachbarort oder einem anderen Künstler. Kunst soll und kann zum Touristiker passen und dies wiederum hat einen großen Einfluss auf das Ergebnis selbst. Teilt der Touristiker diese Leidenschaft nicht, gibt es die Möglichkeit Kunstexperten ins Boot zu holen, Pioniere der Kunst einzubeziehen oder sogar mit ihnen zu arbeiten und die bereits existierende Kompetenz zum Thema Kunst & Kultur vor Ort zu nutzen.
Eine Diversifizierung in der touristischen Produktentwicklung steigert das Interesse von unterschiedlichem Publikum und wiederum unterschiedlichen Gästekategorien. Themenspezifische Events und interdisziplinäre Festivals sprechen nicht die Massen an, sondern kommunizieren spezifische Kompetenz in einem Bereich und die Tourismusorganisation grenzt sich mit einer weiteren Kompetenz vom Klischee-Bild Südtirol ab.
# newopportunities
Aus der Zusammenarbeit zwischen den Sparten ergeben sich ganz klar zahlreiche Chancen, die beide Bereiche nutzen können. So kann der Tourismusverein eine Anlaufstelle für die Betriebe werden, die zum genannten Thema Auskünfte und Informationen geben und somit die bürokratische Hürden minimiert. Betriebe können sich durch das Anbieten von neuen Paketen oder spezifischen Gruppenangeboten zum Thema differenzieren und sich sogar als Kunsthotels etablieren. Private Investoren könnten in den Bereich Kunst & Kultur investieren, um die Budgets zu erhöhen und somit neue Projekte vor Ort realisieren. Auch die Verbindung zwischen den Bereichen Essen und Kunst & Kultur bringt ein Potenzial mit sich, welches weiter ausgebaut werden kann.
Wie kann Kunst Touristiker:innen als vielfältige Ressource vermittelt werden?
Kunst ist eine Form der Interaktion, wirft Fragen auf, hinterfragt und gibt uns einen Einblick in neue Perspektiven. Dabei geht es nicht immer nur um die ästhetische Komponente.
Der Tourismus ist ein kultur- und generationsübergreifender Bereich, in dem die Begegnung der Menschen und das individuelle Empfinden im Mittelpunkt stehen. Touristiker können sehr wohl Vermittler von Kultur sein, denn der Urlaub soll sich vom Alltag abheben und die Menschen sind dann offener für Neues.
Wichtig in der Zusammenarbeit ist vor allem die Kontinuität der Projekte, ein effizienter Informations- und Kommunikationsaustausch zwischen den Bereichen und die Offenheit und der Mut sich auf Neues einzulassen und sich nicht von Begrifflichkeiten einschüchtern zu lassen.
Wir von tourisma south tyrol wünschen uns, dass die Ergebnisse des Netzwerktreffens nun auf mehreren Ebenen wirken: als Inspiration für die eigene Veränderung und als Reflexion im Unternehmen, als Anstoß für Diskussionen mit Branchenkollegen oder Trigger für neue Ideen.
An dieser Stelle möchten wir uns auch nochmals bei Lisa Mazza und Simone Mair von B-A-U für ihre Bereitschaft, Offenheit und Unterstützung in der Planung sowie ihrer aktiven Teilnahme bedanken. Ein großes Dankeschön geht auch an die Familie Siller für die Bereitstellung der Location. Danke an alle Teilnehmerinnen, ohne die ein solches Netzwerktreffen nicht möglich ist und die sich mit sehr viel Engagement, Wissen und Offenheit eingebracht haben. Es war ein inspirierendes Treffen für beide Seiten, dem Tourismus und der Kunst und wer weiß, vielleicht war es auch die Geburtsstunde eines neuen, verbindenden Projektes. Uns würde es freuen!
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