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Karin Tscholl

Exkurs: Das Souvenir

Gedankenanstöße zum „Bündnis von Ding und Erinnerung“



Letzthin war ich aus - allseits bekannten Gründen - etwas mehr Zuhause als gewöhnlich. Zu meiner nicht allzu großen Freude blieb mehr Zeit fürs Aufräumen, Abstauben, Ausmisten, Verstauen. So kam es auch, dass ich meinen fest eingesessenen und seit Monaten unveränderten Altar von #Reisemitbringsel in Angriff nahm und mir die Frage stellte, was das alles eigentlich sein sollte? Wieso hab ich diese Teekanne in Marrakesch gekauft und warum erinnert sich mich an so vieles Andere als an das Tee trinken? Oder: Wieso hab ich dem omanischen Mädchen an der Baracke das selbstgeknüpfte Armbad abgekauft? Eines, das ich eh nie tragen werde? Oder der Vulkanstein aus den Azoren - was mach ich bloß mit dem?


Folgend zwei Gedankenanstöße aus meiner weiteren Auseinandersetzung mit dem #Souvenir.


Vom Objekt zum Souvenir – der definitorische Ansatz

Der Begriff Souvenir stammt aus dem Französischen se souvenir, sich erinnern in der Bedeutung als „Erinnerungsstück“. Etymologisch aus dem Lateinischen subvenire – von sub „unten“ und venire „kommen“ – sprich „unterkommen“. Der Schweizer Sozialanthropologe Ueli Gyr beschreibt Reiseandenken als ein verdinglichtes Stück Erinnerung mit klarer örtlicher Referenz, fassbar als multipler Erfahrungsträger, bei welchem erst von dem Moment an, in dem der Gegenstand einen neuen Besitzer gefunden hat, eine bedeutungsvolle Objektbiographie beginnt. Ein Objekt wird dann zum Souvenir, wenn menschliche Subjekte damit kognitive und emotionale Qualitäten verbinden. Es ist sozusagen Trigger für eine zukünftige positive emotionale und kognitive Rückkopplung an einen Urlaubsmoment, ein Anker der Erinnerung, eine „Wieder-Vergegenwärtigung“.


What and why we buy

In der Studie „What and why we buy“ (2009) untersucht Prof. Hugh Wilkins der Griffith University Australia die Kaufmotivation und Typologien von Souvenirs. Darin beschreibt er den Erwerb derselben als fixen Bestandteil (fast) jeder Urlaubserfahrung. Während Männer vorwiegend auf kostengünstigere, gebrandete Objekte zurückgreifen (v.a. Kleidung wie T-Shirts, Mützen, Schirme), suchen Frauen nach landestypischen, authentischen Mitbringsel. Die Mehrzahl der Reisenden kauft Souvenirs als Geschenk für Daheimgebliebene, welche bei gegebenen Anlässen wie Geburtstag, Weihnachten o.ä. überreicht werden. Frauen kaufen Souvenirs vor allem als Andenken an die eigene Reise, sozusagen als aide memoire an die schönste Zeit im Jahr. Eine dritte Motivation für den Kauf von Andenken ist laut Soyoung und Littrell der Beweis für die erlebte Reiseerfahrung.


Fakt ist: Seit jeher begleiten Souvenirs Reisende zurück in ihre Heimat. Ob als mittelalterliches Andenken an Kreuzzügen und Pilgerreisen, als Erinnerungsstück von römischen Stätten in Miniaturform oder als Portraits von italienischen Landschaften für den greifbaren Beweis wirklich dort gewesen zu sein, während der Grand Tour im 17. und 18. Jahrhundert. Erinnerungsstücke, (Reise-) Andenken, Mitbringsel, Erinnerungszeichen, Geschenke, (Urlaubs-)Reliquie, Trophäe oder Devotionalien bestehen seit Jahrtausenden und das in allen erdenklichen Formen.


Habt ihr euch dazu schon jemals nähere Gedanken gemacht? Im Duty Free auf dem Flughafen soundso oder beim hand-crafted (oder Made in China?) Souvenirshop in der Pampa oder in einer Großstadt? Für wen kauft ihr Souvenirs und wie viel seid ihr bereit, dafür auszugeben? Warum kauft ihr sie überhaupt? Und: welches Souvenir würdet ihr aus Südtirol mitbringen?


 

Quellen:

  • Oesterle, Günter; Souvenir und Andenken in „Der Souvenir. Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken“, Wienand Verlag, 2006.

  • Gyr, Ueli; Souvenirs. Erfahrungsträger im Spiegel diverser Forschungszugänge. Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 111:98-120, 2015.

  • Hillert, Andreas (2006) Souvenirs: Neurophysiologische und psychologische Aspekte eines (erinnerungs)kulturellen Phänomens in „Der Souvenir. Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken“, Wienand Verlag, 2006.

  • Soyoung, Kim, Littrell, Mary A., Sovuenir buying intentions for self versus others in “Annals of Tourism Research”, Seiten 638-657,Volume 28, Issue 3, 2001.


Fotocredits:

David T on Unsplash



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