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  • Karin Tscholl

Facts may tell, but stories sell

Interview mit Anja Henningsmeyer zu den Themen "Verhandeln & Präsentieren aus Frauensicht"


Frau Henningsmeyer, 2019 veröffentlichten Sie das Sachbuch „Denn sie wissen was sie tun. Wie Frauen erfolgreich verhandeln“. Darin zeigen Sie verschiedene Werkzeuge auf, die Frau für Verhandlungsgespräche erfolgreich nutzen kann. Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Mann und Frau in Verhandlungen und welcher ist dafür der Hintergrund?

Frauen und Männer verhandeln nicht grundsätzlich anders, aber in bestimmten Situationen gibt es Indizien, dass Frauen tendenziell doch anders verhandeln. Um diese Aussage zu untermauern, möchte ich auf folgende zwei Ergebnisse der Studie “Gender Differences in Wage Expectations: Sorting, Children, and Negotiation Styles” des Institut of Labor Economics (Institut zur Zukunft der Arbeit, Bonn) und der Universität Maastricht, in der 15.000 Universitäts- und Hochschulabsolvent:innen zu Gehaltserwartungen und Erstverhandlungen befragt wurden, eingehen.

Was fällt auf? Männer haben höhere Erwartungen von Anfang an, sie pokern im Einstellungsgespräch höher und was Mann/Frau sich erwartet, setzt sich dann auch im Arbeitsleben fort. Dieses Diagramm zeigt deutlich den Gap der beiden Geschlechter in Bezug auf das angepeilte Bruttojahresgehalt bei Erstanstellungen auf.


Aus dem zweiten Diagramm wird ersichtlich, dass Männer nicht nur höher ansetzen (siehe Grafik: das Wunschgehalt der Frauen (Initial wage claim) liegt bei Minimalgehalt (Reservation wage) der Männer), sondern auch, dass Männer sich ein viel größeres Verhandlungsfeld aufspannen. Somit lässt sich also die Behauptung aufstellen: Frauen verhandeln in Bezug auf ihr eigenes Gehalt anders - of zu ihrem Nachteil.


Ein weiterer Umstand ist jener, dass Frauen seltener Verhandlungen initiieren und weniger mutig rangehen. Dazu sei die Studie von Linda Babcock et all zitiert ("Women don't ask". Princeton, NJ, 2003), welche belegt, dass bei den befragten Berufschulabgänger:innen in Princeton (USA) nur 7% der Frauen vs. 57% der männlichen Kollegen das Erstgehalt verhandelten. Ergo: Frauen initiieren seltener ein Verhandlungsgespräch.

Eine Beobachtung von meiner Seite ist, dass Frauen zudem oft mit der ganzen Person in Verhandlungsgespräche reingehen. Männer sind dahingehend oft distanzierter und verhandeln eine Zahl. Dabei geht es doch bei Honorar- oder Gehaltsverhandlungen zunächst um eine Zahl, nicht um die Leistung oder gar um den (Selbst-)Wert. Im Falle einer negativen Verhandlung scheitere ich damit nicht als ganze Person, sondern es ist ein Scheitern der Verhandlungen um die Zahl.


Wir alle sind mit gesellschaftlichen Stereotypen konfrontiert, die unterschwellig das soziale Verhalten von Menschen aufgrund ihres Geschlechts bewerten. Das ist für uns Frauen eine große Herausforderung - Denn obwohl Frauen eigentlich stärker verhandeln müssten, um den Gender Pay Gap auszugleichen, unterlassen sie dies oft. Studien zeigen, dass was bei Männern als durchsetzungsstark gilt, bei Frauen als sozial inkompetentes Verhalten bewertet wird – und zwar aus Sicht von Vertreter:innen beider Geschlechter.


Frauen zahlen also einen höheren sozialen Preis, wenn sie in Verhandlungen in gleicher Weise fordern wie Männer.

Zudem sind viele Frauen eher beziehungsorientiert und haben tendenziell die Sorge, sich die Beziehung zu dem Gegenüber zu verderben, wenn sie zu hohe Forderungen stellen.


Verhandeln Frauen also anders als Männer? Nicht grundsätzlich, aber wenn es um ihr eigenes Geld geht, sehr oft. Das hat mit den gesetzten Erwartungen zu tun, die von Anfang an niedriger angesetzt werden und es hat andererseits mit dem realistischen Gefühl der Frauen für die hohen sozialen Kosten zu tun.


Auf Ihrer Webseite findet man den Menüpunkt “Präsentieren”. Welches sind Ihrer Meinung nach die Basics, die Frau für eine gelungene Präsentation im privaten und beruflichen Umfeld erfüllen sollte?


Vorab zur Abgrenzung: Verhandeln ist ein Konfliktgespräch, während das Präsentieren eine Sondierung ist: Was kann ich dem Anderen anbieten? Deshalb sollte eine gute Präsentation keine Rede, kein Monolog, sondern ein geführter Dialog sein. Sie als Präsentierende/r entscheiden, an welcher Stelle Sie den Dialog – in Form von Fragen und anderen Interaktionen –  mit Ihrem Publikum aufnehmen. 


Ganz wichtig sind die ersten 20 Sekunden einer Präsentation. In dieser Zeitspanne hat man die höchste Aufmerksamkeit des Gegenübers: ein schnelles Abchecken, ist mir die Person sympathisch? Hat sie etwas Relevantes für mich? Darum sollte man sich sehr gut überlegen, was man in diesen 20 Sekunden sagen möchte. In meinen Trainings  rate ich den Teilnehmer:innen als Einstieg entweder eine Frage in den Raum zu stellen oder mit einer gewagten oder spielerischen These zu beginnen. Von der klassischen Selbstvorstellung gleich am Anfang rate ich ab. 


Lassen Sie mich Gerald Hüther (Deutscher Neurobiologe) zitieren, der sagt: “Wir können Menschen nicht überzeugen. Wir können sie nur einladen, sich zu überzeugen.” In anderen Worten: den Anderen zu inspirieren, in meine Richtung zu denken.


Ein sehr effektives Instrument dafür ist Storytelling. Es hilft, dass ich mich erinnere, was die andere Person gesagt hat und macht Gesagtes emotional und anschaulich. Facts may tell, but stories sell. 

Desweiteren rate ich in Präsentationen Folien für verschiedene Denktypen einzubauen: Statistiken, und Zahlen für den rationalen Typ, bildhafte Elemente für den kreativen Kopf, prozessuale Charts für den Planenden usw. So fühlt sich jeder abgeholt. Und zu guter Letzt sollte jede/r Präsentierende sich in der Vorbereitung unbedingt auch Zeit nehmen, um vorzubereiten, wie man selbst als Person auftreten möchte.



Im November 2022 waren Sie als Referentin an der Volkshochschule Bozen für den zweitägigen Online Kurs: „Gehalts- und Honorarverhandlungen für Frauen“ geplant. Ist dieser Kurs auch heuer wieder geplant oder gibt es andere Möglichkeiten, online an einem derartigen Seminar teilzunehmen?


In diesem Herbst veranstaltet das WIFI Bozen mit mir ein 90 minütiges Webinar speziell für Frauen und zwar am 22. November 2023 zum Thema "Unkooperative Verhandlungspartner/innen. Tipps für erfolgreiche Verhandlungen". Die Inhalte und alle weiteren Informationen finden Sie auf meiner Webseite.

 

Zur Person



Anja Henningsmeyer hat sich in vielen Berufen bewährt: als Journalistin, Managerin von Filmfestivals und als Inhaberin einer Bildagentur in Hong Kong, wo sie das Verhandeln in all seinen Varianten gelernt hat. Seit 2008 leitet sie als Geschäftsführerin die hessische Film- und Medienakademie (hFMA) und gibt bundesweit Seminare für 'gelingende Kommunikation' in den Bereichen: Verhandeln, Präsentieren und Business Netzwerken.


Sie schult pro Jahr 350-400 Teilnehmende in zahlreichen Hochschulen, Firmen und Organisationen – auch in Kursen speziell für Frauen. Dabei legt sie Wert auf Erkenntnissen aus der zeitgenössischen Hirnforschung und Studien zur Genderkommunikation.


2019 erschien ihr Buch: "Denn sie wissen was sie tun. Wie Frauen erfolgreich verhandeln." im Campus Verlag Frankfurt. Zudem ist sie als Hauptschöffin am Amtsgericht Frankfurt und in mehreren Frauennetzwerken aktiv.

 

Photos by:

Piret Ilver auf Unsplash

Jens Braune del Angel

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