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  • Karin Tscholl

Mit gezielten Förderungen abheben

Öffentliche Beiträge und Vernetzung als Schlüsselelemente für das weibliche Unternehmertum . Expertentalk mit Miriam Rieder der Förderfactory in Vahrn


Mit Initiativen wie dem Beirat zur Förderung des weiblichen Unternehmertums der Handelskammer Bozen, der Start- und Finanzierungshilfe über den PNRR Fondo impresa femminile oder gezielten Veranstaltungen und Fortbildungen für weibliche Entrepreneure scheint das Repertoire an Förderprogrammen für das weibliche Unternehmertum vielfältig zu sein. Reichen diese Bemühungen aus, um Frauen in die Selbstständigkeit zu begleiten? Sind dies effektive und effiziente Anreize oder gut gemeinte Tropfen auf dem heißen Stein? Dazu befragen wir in diesem Blogbeitrag Miriam Rieder, Magistra der Rechtswissenschaften, zertifizierte Projektmanagerin und vor allem Fördermittel-Expertin mit Fokus auf Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit.




Frau Rieder, Sie arbeiten seit Jahrzehnten im Bereich der Förderungen, vor allem mit dem EU-Strukturfond und haben sich 2016 mit dem Unternehmen Förderfactory in Vahrn selbstständig gemacht. Dabei unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Ermittlung, Beantragung und Verwaltung von öffentlichen Fördergeldern auf Landes-, Staats- und EU-Ebene. Wie bewerten Sie Anreize dieser Art zur Initialisierung von Projekten öffentlicher oder privater Natur? Wie für die Langlebigkeit und Wirksamkeit über die Förderperiode hinaus?


Die Idee hinter Förderungen jeder Art ist die Zukunftssicherung von einzelnen Unternehmen und Organisationen oder von kommunalen bzw. regionalen Territorien. Förderungen unterstützen Initiativen und Projekte, deren Umsetzung ohne Zuschüsse schwer oder nur mit hohem Risiko realisierbar wären. Zudem finanzieren Förderstellen in der Regel Ausgaben, die zur Erreichung von übergeordneten politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen beitragen, wie der Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen, dem Schutz der Umwelt und des Klimas oder der sozialen Nachhaltigkeit. Tatsächlich haben Fördergelder nicht die Kraft, Projekte zum Erfolg zu führen, die nur um der Förderung willen initialisiert wurden.


Egal wie viel Fördergeld Begünstigten zugesagt wird, wenn die Projektträger nicht von der Wichtigkeit der angestrebten Maßnahmen überzeugt sind, wird jeder Versuch, eine Idee oder ein Projekt zum Leben zu erwecken, scheitern. Das heißt im Umkehrschluss, dass jene Projekte am erfolgversprechendsten sind, die unabhängig von der Förderung realisiert werden. Kritische Stimmen führen genau diese Argumentation ins Feld, um die Berechtigung von Förderungen in Frage zu stellen. Ich lade ein, hier noch einen Schritt weiterzudenken, denn: Förderungen beweisen ihre Wirksamkeit dadurch, dass sie Unternehmen, Organisationen und Regionen resilienter machen. Gerade in Krisenzeiten ist jeder geförderte Euro, ein Euro mehr, um die Liquidität der Antragsteller zu schonen bzw. die Bildung von Rücklagen zu unterstützen.


Unabhängig vom finanziellen Aspekt stehen und fallen Projekte mit den Menschen, die dahinter stehen. Deshalb werden der Bottom-up-Ansatz und die Partizipation in Förderprojekten so groß geschrieben. Je mehr Akteur*innen hinter einem Vorhaben stehen und sich für dessen Um- und Fortsetzung stark machen, desto langlebiger und nachhaltiger ist das Projekt.


Welches sind Ihrer Meinung nach die langfristig wirksamsten Hebel, um das weibliche Unternehmertum zu fördern? Reichen die im Intro genannten Finanzierungs-, Förderungs-, Netzwerk- und Fortbildungsprogramme aus oder muss sich die nationale Gesetzeslage ändern, vor allem im Hinblick auf Mutterschutz, Erziehungs- und/oder Pflegezeiten?


Es wäre schön, wenn Förderungen allein ausreichen würden, um das weibliche Unternehmertum zu stärken. Innovative Förderprogramme sowie gute Netzwerke bestärken und unterstützen Frauen in ihrem unternehmerischen Tun, doch das allein reicht nicht. Was wir gerade in Südtirol benötigen, sind wirksame Rahmenbedingungen, damit Frauen der Falle der Doppelbelastung entkommen und fokussiert und ohne schlechtes Gewissen ihrem Unternehmensaufbau nachgehen können. Das fängt bei Erziehungseinrichtungen mit weit gefassten Öffnungszeiten an und hört bei einer gleichberechtigten Aufteilung von Care- und Organisationsaufgaben zwischen den Geschlechtern auf. Wir dürfen nicht müde werden, unsere Stimme zu erheben und unsere politischen Entscheidungsträger*innen dahingehend zu fordern.


Der wirksamste Hebel liegt jedoch in uns selbst. Meine Erfahrung ist: Wenn wir aufhören, uns ständig mit anderen zu vergleichen oder es allen recht machen zu wollen, finden wir für die - definitiv bescheidenen Rahmenbedingungen im Außen - durchsetzbare Lösungen und Wege.

Ich selbst darf täglich auf’s Neue lernen, dass Willenskraft und Durchsetzungsvermögen unabdingbare Fähigkeiten im Unternehmer*Innen-Alltag sind. Meine Coachin hat mich erst unlängst wieder mit der schonungslosen und zugleich ganz einfachen Wahrheit konfrontiert, indem sie sagte: “Du willst ein Imperium aufbauen? Dann verabschiede dich von der Idee, von allen geliebt werden zu wollen.” Alles im Leben hat seinen Preis, wer weiß das besser als wir Frauen?



Auf Ihrem linkedIn Profil haben Sie den Female Empowerment Day angerissen. Worum handelt es sich dabei genau und wie ließe sich solch ein Tag in einem Unternehmen ganz konkret umsetzen?


Ehrlich gesagt stammt die Idee des Female Empowerment Day nicht von mir, sondern ist eine Initiative von Global Digital Women - einem deutschen Unternehmen, dessen bekannte Gründerin Tijen Onaran sich den Schwerpunkten Diversität, Digitalisierung und Netzwerk verschrieben hat. Unternehmen organisieren einen Female Empowerment Day um mit Mitarbeiter*innen und Kund*innen die spannenden Themen unserer Zeit zu diskutieren und moderne unternehmerische Impulse zu teilen. Gegenseitige Inspiration und bereicherndes Networking zeichnen ein derartiges Event ebenso aus, wie das Sichtbarmachen des eigenen Unternehmens für den Markt und für potentielle Talente. Ich finde es wichtig, dass wir Räume schaffen, in denen Frauen - ganz gleich ob Unternehmerin, Mitarbeiterin oder Studentin - Sichtbarkeit, Inspiration und Austausch erfahren. Förderfactory plant ihren ersten Female Empowerment Day für den 8. März 2023 - dem Internationalen Tag der Frau. Ich lade alle Leserinnen von tourisma south tyrol schon heute ein, mit dabei zu sein.


 

ZUR PERSON:

Miriam Rieder lebt und arbeitet in Brixen. Die gebürtige Pustererin hat neben dem Studium der Rechtswissenschaften und der internationalen Projektmanagement Zertifizierung ein Journalismus Studium sowie einen Master in EU Funds absolviert. Seit mehr als zwei Jahrzehnten unterstützen sie und ihr Team Unternehmen, Organisationen und öffentliche Verwaltungen beim Beantragen und Managen von Förderprojekten. Chancengleichheit und Gerechtigkeit sind Werte, für die die Unternehmerin und bekennende Feministin auch mal Zähne zeigt.


Im Bild: Miriam Rieder (c) Manuela Tessaro


Photocredits

Photo by Edu Lauton on Unsplash

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