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  • Katharina Flöss

Perspektivenwechsel

Destinationsmanagement und Produktentwicklung im Wandel.



Einmal Tourismusorganisationen 360°, bitte. Von der Metaebene der ehemaligen Tourismusverbände, wechselte Magdalena Fundneider vom Destinationsmanagement der Marketinggesellschaft Meran ins Destination Management von IDM Südtirol in die Makroebene, und ist im November 2021 als neue Direktorin des Tourismusvereins Passeiertal in die Mikroebene eingetaucht. Gemeinsam mit ihr beleuchten wir das Thema Destinations- und Produktentwicklung und wagen einen Blick in deren Zukunft.

" Letztlich ist es am Ende immer die Summe aus verschiedenen Erfahrungen, welche im Urlaub gemacht werden und das isolierte Arbeiten an einzelnen Produkten macht für mich immer weniger Sinn."

An dieser Stelle ein großes Dankschön an Magdalena: Danke für deine Zeit und deine wertvollen Ein- und Ausblicke.



Magdalena, du hast mittlerweile einige Tourismus-Perspektiven eingenommen und kennen gelernt. Mit welchen drei Worten würdest du die verschiedenen Ebenen beschreiben?

Zyan, Magenta, Yellow: In ihrer Kombination ergeben sie ein gesamtes Farbspektrum.

Jede Ebene der touristischen Organisationen hat andere Rahmenbedingungen, so sind die Tourismusvereine beispielsweise als Verein organisiert, IDM-Südtirol hingegen ist ein Sonderbetrieb des Landes. Welche sind, deiner Meinung nach, die Herausforderungen, welche die verschiedenen Rahmenbedingungen mit sich bringen?

Die Herausforderung, die allen gemein ist, bewegt sich im Spannungsfeld zwischen "privatwirtschaftlichem Handeln" und einem "öffentlichen / gesellschaftlichen Auftrag". Was ich meine: Es braucht ein Gleichgewicht zwischen einer Unternehmensführung die resultat- oder auch gewinnorientiert ist, wie in der Privatwirtschaft üblich, und dem Erfüllen eines gesellschaftlichem Auftrags, wie es die öffentliche Hand macht, wo auch Mal langfristige Investitionen getätigt werden, die der Allgemeinheit zugute kommen. Ob dieser gesellschaftliche Auftrag vom Land Südtirol kommt, wie bei IDM Südtirol, oder von den Mitgliedern bei Vereinen oder auch den ehemaligen Verbänden, ist kein großer Unterschied. Es geht dabei immer um das Zusammenführen von verschiedenen Interessen und dem Festlegen von Zielen, welche ein Gebiet am meisten voranbringen. Die Rahmenbedingungen mögen zwar bei Tourismusvereinen anders sein, wie bei den ehemaligen Verbänden oder bei IDM Südtirol, aber im Kern geht es dabei immer um Kontrollmechanismen. Kontrollmechanismen, die garantieren, dass das Handeln im Auftrag der Gesellschaft erfolgt und die zur Verfügung stehenden, vielfach öffentlichen Ressourcen, effizient und transparent eingesetzt werden. Ich würde Mal sagen, je größer die Ressourcen, desto strenger die Kontrollmechanismen - und je strenger die Kontrollmechanismen, desto mehr Zeit ist zur Erfüllung Letzterer notwendig.

Touristische Produkte schaffen (fast immer) einen Mehrwert, die Qualität desselben hängt aber von vielen Faktoren ab. Auf welche Parameter sollten touristische Produkte und Projekte zukünftig den Fokus legen und welche Produkte verlieren möglicherweise an Bedeutung? Ab wann würdest du von einem Mehrwert sprechen und welche Parameter spielen für dich dabei eine zentrale Rolle?

Ich glaube, es lohnt sich die Diskussion zu führen, was überhaupt ein touristisches Produkt ist. Ein Pauschalangebot? Eine zu besichtigende Infrastruktur? Eine Veranstaltung? Eine geführte Urlaubsaktivität, wie eine Gipfeltour? Letztlich ist es am Ende immer die Summe aus verschiedenen Erfahrungen, welche im Urlaub gemacht werden und das isolierte Arbeiten an einzelnen Produkten macht für mich immer weniger Sinn. Ich denke, dass das "Entwickeln" von einzelnen Produkten zukünftig weniger Bedeutung haben wird. Natürlich werden Angebotswochen in der Nebensaison mit positionierenden Inhalten weiterhin von Bedeutung sein, ebenso wie medienwirksame Events oder frequenzbringende Infrastrukturen, wie beispielsweise eine Thermalanlage. Aber ich denke, dass in Südtirol bereits eine dermaßen große Fülle von all dem vorhanden ist, sodass zukünftig ein größeres Potential im Gestalten vom öffentlichen Raum liegt. Nicht nur als Raum, wo diverse Produkte stattfinden, sondern eher als Raum in dem Begegnungen zwischen Reisendem und Bereistem stattfinden, der Austausch ermöglicht und wo ein gegenseitiges Profitieren im Fokus steht. Urbanistische und raumplanerische Fragestellungen gewinnen meiner Meinung nach immer mehr an Bedeutung und Tourismusorganisationen müssen noch enger als bisher mit anderen Institutionen, wie etwa Gemeinden oder öffentlichen Verkehrsanbietern, zusammenarbeiten.


Was dann letztendlich als Mehrwert bezeichnet werden kann, hängt stark vom jeweiligen Gebiet ab. Für einen touristischen Hotspot innerhalb eines Naturparks, wie den Pragser Wildsee, ist der Mehrwert sicher anders zu definieren, als für einen wenig frequentierter Ort wie z.B. Rabenstein an der vielbefahrenen Timmelsjochstraße. In der Regel ist es immer einen Kombination aus mehreren Parametern die beachtet werden, je nach Zielsetzung, die sich ein Gebiet gesetzt hat. "Wie viele Nächtigungen bringt das Angebot?", "Wie medienwirksam ist das Angebot?", "Wie hoch ist die Umwegrentabilität, die das Angebot dem Gebiet beschert?", "Wirkt das Angebot positionierend für mein Gebiet und lockt es nicht irgendwelche Menschen an, sondern exakt diese Zielgruppe, die ich gerne hätte?", "Wie kann ich ein zu viel an Frequenzen verlagern?", "Welches Angebot sichert den langfristigen Fortbestand des Tourismus im Gebiet?" und letztlich "Wie zufrieden sind die Menschen mit dem Angebot in ihrem Lebensraum?".



Aus eigener Erfahrung wissen wir, Loslassen ist nicht immer einfach, aber es ist wichtig, sich von Projekten die nicht wirklich laufen auch einmal zu trennen. Woran machst du fest, wann es Zeit ist sich von einem Projekt/Produkt zu verabschieden?

Eigentlich recht einfach: Wenn es die dahinterstehende Zielsetzung nicht mehr erfüllt. Und allerhöchste Zeit ist es, wenn man sich an die ursprüngliche Zielsetzung nicht einmal mehr erinnern kann, was auch manchmal passiert :-)

Ziele sind ja nichts anderes als Bedürfnisse, die befriedigt werden wollen. Bedürfnisse ändern sich ja auch je nach Lebenslage, je nach Entwicklungsstadium. Wenn ein Angebot also kein aktuelles Bedürfnis mehr erfüllt, ist es an der Zeit zu entscheiden, ob das Produkt angepasst werden kann um weiterhin das dahinterstehende Bedürfnis zu erfüllen oder ob es das nicht schafft und daher abgeschafft werden kann, um Platz zu machen für eine neue Möglichkeit, die das Bedürfnis wieder befriedigen kann.


Es ist wie mit einer Wohnung: Eine Studentin hat vermutlich andere Bedürfnisse in Bezug auf ihre Wohnsituation, als eine junge Berufseinsteigerin. Nochmal ändern werden sich die Wohnansprüche, wenn dieselbe Frau Mutter werden sollte. Die Studentenwohnung lässt sich für die Berufseinsteigerin vielleicht mit ein paar raffinierteren Möbelstücken, etwas Technik-Schnickschnack und einer dazu gemieteten Autogarage eventuell weiterentwickeln. Als Mutter ist die Wohnung dann vielleicht zu klein, zu weit von Betreuungseinrichtungen oder Freunden oder Familie entfernt, die bei der Pflege helfen und daher entscheidet sich die Frau umzuziehen. Sie lässt die alte Wohnung auf und kommt ja auch nicht auf die Idee zusätzlich zur alten Wohnung eine neue Wohnung zu bewohnen.

Wie siehst du die Zukunft der Tourismusorganisationen (TO). Welche Aufgaben werden für sie in Zukunft wichtiger werden und welche hingegen könnten bald wegfallen?

Langfristig werden TOs zukünftig noch mehr in die Entwicklung von qualitativem Content investieren, wie etwa gutes (Bewegt-)Bildmaterial oder das Erzählen von spannenden und medienwirksamen Geschichten. Dazu gehört sicher auch das Bereitstellen und Pflegen von verlässlichen Daten, wie etwa Öffnungszeiten von lokalen Institutionen oder lokalspezifischen Informationen wie z.B. wetterbedingte Begehbarkeit von Wanderwegen. Das Pflegen von eigenständigen Kommunikationskanälen, wie Webseiten, Blogs oder Social Media Kanälen, wird mittel- und langfristig sicher wegfallen oder jedenfalls auf ganz spezifische Zielsetzungen stark reduziert.

Mittelfristig sind TOs gefordert, kleine und mittelständische Tourismusbetriebe bei ihrem Weg in die Digitalisierung zu begleiten - zumindest solange bis jene die es wollen, den Sprung geschafft haben und jene die es nicht wollen, weggefallen sind. Diese Aufgabe finde ich deshalb so wichtig, weil eine positive Tourismusgesinnung sicher leichter möglich ist, wenn an der Wertschöpfung der Tourismuswirtschaft weiterhin möglichst viele Personen direkt und nicht nur indirekt beteiligt sind. Ein Wegfallen von vielen Kleinbetrieben, welche den Sprung in die Digitalisierung nicht schaffen, ist zwar gemessen am BIP keine große Nummer, aber für die Tourismusgesinnung spielt es meiner Meinung nach eine entscheidende Rolle, ob nur wenige Großbetriebe übrigbleiben oder eben mehrere Betriebe unterschiedlicher Größenordnung.


Insgesamt sehe ich die Aufgaben von TOs zukünftig stark im Bereich "Resonanzraum-Konstrukteure", wie ich ja schon eingangs erwähnt habe. Dabei werden die TOs vermutlich immer stärker eine Vermittlerrolle zwischen verschiedenen Institutionen einnehmen. Dabei geht es einerseits darum, die Markenwerte von Südtirol zu wahren und weiterzuentwickeln und andererseits die verschiedenen Interessen zu vereinen und deren positiven Potentiale auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Zu dem Zeitpunkt werden wir diese Institutionen sicherlich nicht mehr TO nennen und vermutlich auch nicht mehr DMO (Destination Management Organisationen), sondern wohl eher sowas wie "Gebietsvermittler" oder "Lebensraumberatung".

Abschließend: Wie gehst du in der Entwicklung eines neuen (touristischen) Produktes vor? Welche sind die Hauptschritte, die du dabei abarbeitest? Und gibt es eine bestimmte Brainstorming-Technik am Beginn, die du besonders gern anwendest?

Uhh. Eine sehr technische Frage :-). Zunächst gilt es immer ein Bedürfnis zu erkennen, welches es zu befriedigen gilt. Es lohnt sich immer genau hinzusehen, ob es ein unerfülltes Bedürfnis der reisenden Zielgruppe ist, oder ob es eigentlich ein Bedürfnis von lokalem Interesse ist. Beides hat seine Berechtigung, aber zielführend kann man in der Regel nur dann arbeiten, wenn die Ziele klar und unmissverständlich auf dem Tisch liegen. Danach gilt es, das Bestehende aber auch die Möglichkeiten zu analysieren: Was ist bereits vorhanden, was noch nicht? Was macht der Mitbewerber? Was beeinflusst heute eine Urlaubsentscheidung bei unserer Zielgruppe und was ist es möglicherweise morgen?


Marktforschung hilft dabei natürlich, aber meist geht es nicht um exakte Datenauswertungen im Kommastellenbereich, sondern um eine ehrliche Rundumreflexion, die eine kritische Auseinandersetzung zulässt, mit dem was bereits vorhanden ist. In den meisten Fällen bringt diese Reflexion die Erkenntnis, dass nicht eine Neuentwicklung sinnvoll ist, sondern eine Kombination aus Weiterentwicklung von bestehendem Angebot und ganz wichtig, dem Weglassen von weniger Gutem. Die Analyse mithilfe einer Portfoliomatrix kann hier hilfreich sein, ebenso wie eine Analyse der gesamten Urlaubserfahrungen entlang der Customer Journey. Anschließend geht es dann in die Umsetzung: Falls risikoreicher mit Hilfe von Pilotprojekten, die eine rasche Korrektur ermöglichen bevor das breite Einführen des Angebots erfolgt. Etwas Geduld sollte man schon mitbringen, denn Neuentwicklungen oder auch Weiterentwicklungen bringen nicht immer unmittelbar Resultate, sondern brauchen oft 3-5 Jahre. Daher ist es meiner Meinung auch wichtig, alle direkt, und soweit möglich auch indirekt, betroffenen Partner mit ins Boot zu holen, um die dahinterstehende Zielsetzung zu vermitteln und gleichzeitig verschiedene Sichtweisen und Ideen in der Umsetzung mitberücksichtigen zu können und damit Fürsprecher zu gewinnen. Abschließend steht man dann schon wieder am Anfang: Man stellt fest, ob das Angebot zur Zielerreichung beigetragen hat, analysiert, was angepasst und verbessert werden muss und setzt das wiederum um. Es handelt sich letztlich um eine kontinuierliche Schleife, die man dreht. Dabei nicht aus den Augen zu verlieren, was der eigentliche Auftrag bzw. das Bedürfnis dahinter war, ist dann nicht immer einfach. Es erfordert die Fähigkeit ebenso in die kleinsten Details in der operativen Umsetzung einzutauchen, denn dort findet der wahre Qualitätssprung statt, genauso wie es die Fähigkeit braucht den Blick zu heben und aus der Vogelperspektive auf das ganze Vorhaben zu blicken und zu reflektieren, wohin man über die Jahre eigentlich wollte und welche Bedürfnisse von welcher Zielgruppe dahinterstehen.

 

GOOD TO KNOW. Destinationsmanagement grob definiert.


Unter dem Begriff Destinationsmanagement wird die strategische Führung und Vermarktung touristischer Destinationen verstanden. In diesem Kontext wird die Destination als selbstständige, marktfähige Wettbewerbseinheit gesehen, die in Konkurrenz zu anderen Destinationen steht. Aufgabe des Destinationsmanagements ist es, die Zusammenarbeit der Leistungsträger (z.B. Beherbergungsbetriebe, Anbieter von Freizeitdienstleistungen; aber auch mehrere Orte in einer Region) zu unterstützen und zu fördern und durch Kooperationen zwischen den Leistungsträgern durchgehende Dienstleistungsketten in den Destinationen sicherzustellen und übergreifend zu vermarkten. In der Praxis wird Destinationsmanagement oft mit Destinationsmarketing gleichgesetzt. Das Destinationsmanagement soll unter Beachtung des Dreiecks der Nachhaltigkeit erfolgen, d.h. es soll ein adäquates Verhältnis zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Faktoren herrschen. Je nachdem, in welchem Kultur- und/ oder Wirtschaftsraum (z.B. Entwicklungsland vs. Westeuropa) die Destination liegt, kann es hier zu einer Verschiebung der Schwerpunkte kommen.


Quelle: Auszug aus dem "Gabler Wirtschaftslexikon"

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